Immer weniger junge Menschen entscheiden sich in ihrer Schullaufbahn für eine Ausbildung. Das Studium ist angesehener, sozial erwünschter und vor allem aussichtsreicher – zumindest denken das die meisten Jugendlichen.
Der Trend zum Studium wurde von der Politik über Jahrzehnte befeuert und mündete laut der DIHK 2019 in circa 240.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen. Viele Unternehmen suchen nach neuen Wegen, um Jugendliche für die duale Ausbildung zu begeistern, denn der immer deutlich werdende Fachkräftemangel gestaltet sich nicht nur zu einem Problem für die Wirtschaft, sondern macht insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen zu schaffen.
Während sich die Wirtschaft, sowie die Politik also daran versuchen, das duale Ausbildungssystem, beispielsweise durch den in 2020 in Kraft setzenden Azubi-Mindestlohn, attraktiver zu gestalten, liegt es in der Zwischenzeit an den Unternehmen selbst, die Fachkräfte von morgen für sich zu gewinnen.
Was kann ich also tun, um bei der nachrückenden Generation als Arbeitgeber der Wahl in Erwägung gezogen zu werden?
Wir haben ein paar praktikable Tipps zusammengetragen, die sicherlich eine Menge Engagement erfordern, aber auch das Employer Brand deines Unternehmens stärken werden.
Jugendliche für einen Ausbildungsberuf zu begeistern, ist eine Aufgabe die bereits in der Schule angepackt werden muss. In der Berufsvorbereitung durch die Schulen zeigen sich in Deutschland immer noch große Wissenslücken. Zu selten wird Schülern vermittelt, wie man sich über ein Online-Bewerbungsportal bewirbt und welche Portale es überhaupt gibt. Viele Schulen lehren noch, wie man die klassische Bewerbung per Briefpost aufsetzt. Doch selbst wenn die erste Hürde des formalen Bewerbungsaktes überwunden ist, folgen meist direkt die nächsten Herausforderungen: Telefoninterviews, Auswahltests, Assessment Center und ähnliche Verfahren erwarten den potenziellen Azubi.
Viele dieser Tests sind bereits völlig überholt. Das Gehirn, die Denkweise sowie die Aufmerksamkeitsspanne junger Erwachsener hat sich in den letzten Jahren aufgrund zahlreicher Faktoren stark verändert. Und wenn man sich bewusst macht, dass das Jahr 2050 in Jahren genauso weit weg ist wie 1990, wird einem plötzlich klar, wie schnell sich die Welt gerade dreht. Viele Unternehmen haben ihre Einstellungskriterien nicht an die veränderten Fähigkeiten der nachrückenden Generation angepasst. Elke Hannack, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), bemängelte, dass Unternehmen zu hohe Anforderungen an die Auszubildenden hätten:
„Schon ein Blick auf die aktuelle bundesweite Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammern zeigt: Nur gut jeder dritte Ausbildungsplatz steht dort einem Jugendlichen mit Hauptschulabschluss offen“
Elke Hannack, Vorsitzende des DGB
Auch das Aussortieren über Noten oder über Rechtschreibfehler im Anschreiben, ist in den meisten Branchen überflüssig und nicht mit der heutigen Fehlerkultur zu vereinbaren. Auf solche Auswahlkriterien sollte ein Unternehmen also erst zurückgreifen, wenn ein tatsächlicher Überfluss an Bewerbern herrscht.
Die große Aufgabe ist es also erstmal, die jungen Leute überhaupt für das eigene Unternehmen zu begeistern. Aber wie soll das gehen? Über ein hippes Recruiting-Video? Über Prämien wie iPhones oder Tablets? Nicht unbedingt nötig. Am einfachsten erreicht man die jungen Talente da, wo sie sich den Großteil ihres Lebens momentan noch aufhalten (psst, kleiner Tipp: online wäre es Tiktok, offline die Schule).
Zeige Präsenz – Oder: Nutze die Chance an den regionalen Schulen in direkten Kontakt mit den Nachwuchstalenten zu kommen.
Kooperationen mit Schulen können einen enormen Anteil am Erfolg bei der Suche nach Azubis ausmachen. Viele Schulen bieten Informationsabende an, um Schulabgänger sowie deren Eltern auf das Berufsleben vorzubereiten. Gerade weil man sich als Unternehmen nicht darauf verlassen kann, dass die Schulen das breitläufige Thema „Bewerbungen“ ausreichend lehren, ist es für Unternehmen relevant präsent zu sein. Nichts ist anschaulicher für einen Schüler, als sich echte Mitarbeiter anzuhören, die von ihren Jobs berichten. So kannst du als Unternehmen ohne Umwege auf Praktikums- und Ausbildungsplätze auf dich aufmerksam machen und somit eine große Anzahl an Interessenten auf einmal erreichen.
Neben dem Einblick in die Berufspraxis, sollten gleich Tipps aus erster Hand für die Bewerbungsphase sowie den Werdegang zur betroffenen Branche mitgegeben werden (z.B. Wie nennt man den Ausbildungsberuf? Was sind mögliche Aufstiegschancen?). Am besten werden auch die aktuellen Azubis und Trainees aus dem Unternehmen mit eingebunden, um die Schüler auf Augenhöhe zu erreichen. Dies ist auch für Schüler mit Interesse an einem Studium von Relevanz, denn die meisten Studiengänge verlangen nach Pflichtpraktika, die sie dann in deinem Unternehmen absolvieren könnten.
Generell lohnt es sich, langfristige Beziehungen mit Schulen und den dortigen Lehrkräften aufzubauen, sodass dein Unternehmen als lokaler Partner für Ausbildungsberufe gesehen und vor allem auch empfohlen wird.
Zeige Verständnis – Oder: Was die Talente von morgen ausmacht und womit sie sich beschäftigen.
Die Realität der Jugendlichen heute ist weitaus komplexer als noch vor 20 Jahren. Das Internet und Social Media Plattformen versorgen uns mit Unmengen an Informationen. So sehen junge Leute mögliche Berufe wie Influencer, YouTube-Star und Content-Creator auf der einen Seite, klassische Ausbildungsberufe wie Zerspanungsmechaniker, Kaufmann für Büromanagement oder Eventkauffrau auf der anderen Seite. Heutzutage ist die Entscheidung für einen Beruf, erstmal eine Entscheidung auf Zeit nicht für das ganze Leben. Die junge Generation wird morgen nicht mehr 20 Jahre im gleichen Beruf, im gleichen Unternehmen oder gar in der gleichen Branche verweilen, sie sind viel wechselfreudiger und müssen es in der volatilen Arbeitswelt von morgen auch sein.