Neuronale Plastizität: Wie wir lernen

Wer kennt es nicht: Man nimmt sich etwas Neues vor, sei es mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, nicht mehr so viel am Handy zu hängen oder in Konfliktgesprächen besonnener zu reagieren, und am Ende fällt man doch wieder in alte Muster und Routinen zurück. Dass es uns schwerfällt neue Haltungen anzunehmen und neue Routinen zu entwickeln, liegt nicht an fehlender Willensstärke. Nein, wir sind so gemacht, und zwar auf neuronaler Ebene.

Die gute Nachricht ist, Veränderung ist möglich! Das Stichwort hierbei: Neuronale Plastizität. Neuronale Plastizität bezeichnet die Veränderbarkeit unseres Gehirns und Nervensystems durch die Art der Beanspruchung und ist damit die Grundvoraussetzung für jede Art des Lernens und der Veränderung. Wir wollen uns also genauer anschauen, warum es uns schwerfällt Neues zu etablieren und wie wir es trotzdem schaffen können.

Alles, was wir gelernt haben, was wir können und wie wir uns verhalten, ist neuronal abgebildet.

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Dinge, die uns leicht fallen, die wir ohne darüber nachzudenken können und machen, Dinge, die uns leicht fallen, die wir tun, ohne wirklich darüber nachzudenken sind Automatismen oder Routinen. Man kann sie sich als neuronale Autobahnen vorstellen. Wir spulen diese Automatismen ab, sie laufen „von selbst“, ohne dass wir darüber nachdenken oder uns stark darauf konzentrieren müssen. So ist es beispielsweise, wenn wir uns aufs Fahrrad oder hinters Steuer setzen, ein Instrument spielen können, oder aber auch, wenn wir beim Abendessen automatisch den Fernseher anmachen oder im Gespräch auf die immer gleichen Sätze gereizt reagieren. 

Die neuronalen Verknüpfungen für diese Verhaltensweisen wurden so häufig benutzt, dass sie sehr stark und einfach zu aktivieren sind und schnell und mühelos ablaufen. Die neuronale Verknüpfungen wurden hier über die Zeit gebahnt, weshalb die Reizweiterleitung schnell und einfach ist. Wie eine gut ausgebaute, geradlinige Straße – eine Autobahn eben. 

Wenn wir uns etwas Neues vornehmen, es also darum geht, sich anders zu verhalten als wir es gewohnt sind, dann fällt uns das erstmal ziemlich schwer. Denn die neuronalen Verknüpfungen, die hier aktiviert werden müssen, sind eher Trampelpfade. Sie wurden noch nicht häufig benutzt, weshalb die Reizweiterleitung nur mühsam und langsam stattfinden kann. Es erfordert also eine bewusste Entscheidung, Aufmerksamkeit und vor allem mehr Energie diese Wege einzuschlagen, statt auf den bequemen Autobahnen zu bleiben.

Aber wie können wir denn dann Neues lernen und uns verändern?

Nun werden Trampelpfade, je häufiger man sie begeht, immer einfacher und schneller zu folgen. Denn irgendwann kennt man den Weg, Hindernisse wurden aus dem Weg geschaffen und der Weg plattgetrampelt. So ist das auch mit den neuronalen Trampelpfaden, je häufiger neuronale Wege aktiviert werden, desto stärker werden sie – die Reizweiterleitung wird immer schneller und einfacher. Das heißt also, Übung macht den Meister. Was am Anfang hart und schwierig ist wird immer einfacher werden.

So weit, so gut. Aber wenn der Anfang dann so hart ist, wie soll das dann gehen? Unser Wissen darüber, wie wir neuronal ticken, hilft uns zu verstehen, wie wir es schaffen, den Trampelpfad immer wieder zu finden und zu gehen:

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1. Rahmenbedingungen erkennen und bewusstmachen

Unsere Automatismen und Routinen werden oft dann gestartet, wenn bestimmte, charakteristische Rahmenbedingungen einer Situation vorliegen. So könnte das an den Computer setzen beispielsweise die Situation sein, in der wir gedankenlos auf LinkedIn landen, oder ein Meeting mit Kund:innen die Situation, in der wir automatisch leise und unsicher werden. Es gilt also, diese Rahmenbedingungen bei Verhaltensweisen, die wir ändern wollen, zu erkennen und uns der Situationen bewusst zu werden. Denn dann können wir in der Situation daran arbeiten, bewusst zu handeln, statt Automatismen zu verfallen.

2. Stopp-Signal einführen

Haben wir die Situationen identifiziert und werden wir uns unserem Verhalten in der Situation bewusst, ist ein persönliches Stopp-Signal eine Möglichkeit uns aus unserem alten Muster herauszuholen, um den Abzweig zum Trampelpfad zu nehmen. Anders gesagt: Ein Stopp-Signal dient dazu, bewusst die alte Verhaltensweise zu unterbrechen, um uns dann bewusst für die neue Haltung oder Verhaltensweise zu entscheiden. Haben wir unseren Automatismus erstmal (durch das Stopp-Signal) unterbrochen, fällt das nämlich viel einfacher. Ein Stopp-Signal könnten 5 tiefe Atemzüge, das bewusste Berühren von Daumen und Zeigefinger oder auch das kurze Verlassen des Raumes sein.

3. Ressourcen aktivieren

Was uns dabei unterstützt, den Trampelpfad zu nehmen, ist uns all unserer Ressourcen bewusst zu werden, die uns dabei helfen können. Hier kommt es natürlich darauf an, welche Art von Veränderung wir anstreben. Ressourcen können aber beispielsweise Freunde und Familie sein, die uns helfen die relevanten Situationen zu identifizieren und uns generell zur Seite stehen. Ressourcen können aber auch Persönlichkeitseigenschaften sein, wie zum Beispiel ein hohes Maß an Drive und Optimismus. Ebenfalls als Ressourcen sind hilfreiches Wissen und Erfahrungen zu verstehen, aber auch materielle Möglichkeiten und Zeit.

4. Übung macht den Meister

Letztendlich ist es vor allem wichtig, die neue neuronale Verknüpfung so oft wie möglich zu aktivieren und damit zu bahnen. Diese aktiviert man aber nicht nur dadurch, das neue Verhalten durchzuführen, sondern auch mit Allem, was wir damit assoziieren und verknüpfen. Das heißt also, wenn wir beispielsweise eine Laufroutine etablieren wollen, hilft es auch, unser Schuhe so zu positionieren, dass wir morgens auf sie stoßen. Eine beliebte Technik aus dem Coaching ist es auch, Bilder zu finden, die wir mit neuen Haltungen verbinden, die wir annehmen wollen. Wenn wir uns diese Bilder aufhängen und dadurch immer wieder sehen oder immer wieder zu einem gedanklichen Bild zurückkehren, dann passiert genau das: die neue neuronale Verknüpfung wir immer wieder aktiviert und damit gestärkt.

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Wir merken uns also: Es ist überhaupt nicht schlimm und völlig normal sich mit neuen Vorhaben schwer zu tun. Unser Gehirn und Nervensystem sind aber dazu gemacht, sich stetig zu verändern und sich an die Anforderungen anzupassen, die wir an sie stellen – dank Neuronaler Plastizität können wir (auch wenn es anfangs schwer fällt) lernen und uns weiterentwickeln.


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