Neue Arbeitssysteme benötigen auch neue Entlohnungssysteme. Denn: Die Gestaltung neuer Arbeitsstrukturen, die Werte wie Partizipation, Agilität und Sinnhaftigkeit in den Vordergrund stellen – New Work – macht auch vor dem Thema Gehalt nicht Halt. New Pay steht für die Entwicklung neuer Entlohnungsmodelle, bei denen die Werte der neuen Arbeitswelt auch in Bezug auf das Thema Gehalt umgesetzt werden.
Unser Shoutout geht diesen Monat an: Seibert Media
Für das IT Unternehmen Seibert Media, das Software für bessere Zusammenarbeit im Team entwickelt, ist zentral, dass ihre Prozesse und Herangehensweise zum Thema Gehalt ihre Unternehmenswerte und -kultur wiederspiegeln. Deshalb hat das agil arbeitende Unternehmen einen Gehaltsprozess entwickelt, der Partizipation, Transparenz und Fairness in den Mittelpunkt stellt und der selbst ständig weiterentwickelt wird. Wir finden es toll, wie das Team von Seibert Media ihre Unternehmenswerte in allen Bereichen – auch in punto Gehalt – konsequent leben und ihre Erfahrungen dazu teilen.
Jan Saathoff hat uns erzählt, wie sie dazu kamen, neue Entlohnungsstrukturen zu entwickeln und wie diese Prozesse bei Seibert Media genau aussehen:
Wie kam es für euch dazu, das Thema Gehalt neu zu denken?
Bei Seibert Media arbeiten wir seit geraumer Zeit in allen Unternehmensbereichen nach agilen Prinzipien. Aus der Kernzelle eines Scrum-Teams hat sich relativ schnell ein unternehmensweiter kultureller Wandel ergeben, der vor keinem Aspekt halt gemacht hat. So verstehen wir uns heute als vollständig agil arbeitendes Unternehmen. Und auf der Grundlage wäre es seltsam, wenn nicht auch die Prozesse und Herangehensweise rund ums Thema „Gehalt“ aus dieser Haltung heraus betrachtet und entsprechen würden.
Seid ihr dabei auch auf Widerstände oder Skepsis innerhalb oder außerhalb eurer Company gestoßen?
Eine Konstante beim Thema Gehalt scheint zu sein: Man kann es nicht jedem recht machen! Und so gibt es natürlich auch bei uns Leute, die eine Veränderung beim Gehaltsprozess erstmal skeptisch betrachten. Aber das ist erwartbar und kommt in einer Organisation, die sich als einen Unternehmenswert „Eigenverantwortung“ gegeben hat und diesen auch sehr aktiv lebt bei vielen Themen vor. Da wir aber auch bei unternehmensweiten Prozessen kollaborativ und mit agiler Methodik zusammenarbeiten, können sich auch Mitarbeiter*innen, die einer Veränderung eher kritisch gegenüberstehen, aktiv einbringen und an einer tragfähigen und passenden Lösung mitarbeiten.
Von Leuten außerhalb des Unternehmens kriegen wir verschiedene Reaktionen, von „Das kann ja nie funktionieren!“ bis „Wow, seid ihr fortschrittlich!“ Spannend ist dann, mit den Leuten in den Austausch zu gehen und darüber zu sprechen, wie der Gehaltsprozess in ihrem jeweiligen Kontext aufgebaut ist und wo die Vor- und Nachteile der verschiedenen Herangehensweisen liegen.
Was bedeutet New Pay für euch genau?
Für Seibert Media bedeutet New Pay, dass unser Gehaltsprozess zu unseren Strukturen, unseren Unternehmenswerten und unsere Unternehmenskultur passen muss. Das heißt, dass wir „New Pay“ nicht als Framework oder Ideologie verstehen, sondern als konkrete Aufgabe, die Bestimmung der Höhe der individuellen Gehälter im Abgleich mit dem globalen Gehaltsgefüge transparent, gerecht und sinnvoll zu gestalten.
Wie wird bei euch über Gehälter und Gehaltsstrukturen entschieden?
Unser Gehaltsprozess sieht zurzeit so aus: Wenn ein*e Mitarbeiter*in einen Gehaltsanpassungswunsch hat, wendet sie*er sich an eine*n GehaltsChecker*in. Der Gehaltschecker*innen-Kreis besteht aus derzeit 5 Kolleg*innen, die von der gesamten Belegschaft in diese Rolle gewählt worden sind. Ihre Aufgabe ist es, den Gehaltsprozess durchzuführen. Die*Der Checker*in der Wahl wird also nun mit der betroffenen Person in einen ersten Austausch gehen, woher der Anpassungswunsch kommt. Das kann zum Beispiel darin begründet sein, dass sich der Aufgaben- oder Verantwortungsbereich geändert hat, dass ein Rollenwechsel vollzogen wurde oder aus anderen Gründen. Wenn der Anpassungswunsch gerechtfertigt ist, wird in einem nächsten Schritt ein Gehaltsgremium mit 3 – 5 Kolleg*innen zusammengestellt. Dabei überlegen die*der Checker*in mit der betroffenen Personen, welche Kolleg*innen dafür sinnvollerweise infrage kommen: Rollen- und Team-Peers, Leute, mit denen man eng zusammenarbeitet und die so ein Urteil zur Qualität der Arbeit und der Zusammenarbeit geben können, sowie ein*e Gehaltschecker*in. Mit diesem Gehaltsgremium wird dann in Form eines meist einstündigen Meetings ein Gehaltsanpassungsvorschlag erarbeitet. Dafür schaut sich das Gremium verschiedene Faktoren an: Zum einen das Gehaltsgefüge der Rollen- und Team-Peers, also der Leute, die ähnliche Aufgaben und Verantwortungen haben und die eng mit der betroffenen Person zusammenarbeiten.
Zum anderen ist Feedback zu der*dem Kolleg*in ein wichtiges Element: Wie gut füllt die Person ihre Rolle aus? Passt die Rolle? Und schließlich ist ein elementarer Faktor der Blick darauf, was am Arbeitsmarkt für die jeweilige Rolle im Median gezahlt wird. Dafür nutzen wir eine konfigurierbare Datenbank eines Dienstleisters, in die Daten aus vielen Unternehmen in Deutschland einfließen. Sofern das Gremium dabei zu einem tragfähigen Vorschlag kommt, wird dieser an den Gehaltschecker*innen-Kreis weitergereicht. Dieser hat nun die Aufgabe, den Vorschlag noch mal daraufhin zu überprüfen, ob dieser ins globale Gehaltsgefüge passt und ob prozessual sauber gearbeitet wurde. Wenn das der Fall ist, wird das Gehalt zum nächstmöglichen Zeitpunkt entsprechend angepasst.
Eine wichtige Anmerkung: Wir entwickeln diesen Prozess kontinuierlich weiter, so auch gerade wieder. Das heißt, dass wir voraussichtlich im nächsten Vierteljahr eine neue, verbesserte Version des Prozesses ausrollen werden.
Sind bei euch alle Gehaltsstrukturen transparent?
Nein, nicht voll transparent. Jede*r Mitarbeiter*in hat aber die Möglichkeit, mit einer*einem Gehaltschecker*in das eigene Gehalt im Vergleich zu den Peer-Gehältern und prinzipiell auch zum Gehalt jeder*jedes anderen Kolleg*in zu betrachten. Es herrscht also eine relative und situative Gehaltstransparenz auf Anfrage.
Vielen Dank an Jan & Seibert Media für diesen spannenden Einblick!