Ghosting – Was der Umgang mit Bewerbern über Arbeitgeber aussagt

Das neueste Phänomen hat einen Namen – Ghosting hat seinen Ursprung im Kontext des Onlinedatings. Da beschreibt Ghosting das unaufgeregte Verschwinden eines Onlinedating-Partners nach einem ersten realen Treffen. Das Nicht-mehr-melden kann man auch bei Freundschaften beobachten. Wenn also Freunde auf Kontaktversuche nicht mehr reagieren, kann man auch von Ghosting sprechen.

Inzwischen ist dieses plötzliche Abtauchen auch in der Businesswelt angekommen und sorgt auch hier für einen Imageschaden bei den Arbeitgebermarken. Die Arbeitgebermarke ist für die Unternehmen im Schlachtfeld um die High-Potentials, dem sogenannten War for talents, wichtiger denn je. Die richtigen Mitarbeiter zu finden und langfristig zu binden, wird die große Herausforderung in den nächsten Jahren, denn die Arbeitswelt verändert sich und damit auch die Aufgaben die auf Mitarbeiter und Unternehmen warten.

Doch was geschieht eigentlich beim Ghosting?


Das Ghosting fängt oft schon direkt nach dem Versand der Unterlagen an. Bewerber erhalten oft auf eine Bewerbung hin nicht einmal eine Eingangsbestätigung, oder aber es kommt nach der ersten automatisierten Eingangsbestätigung eine viel zu lange Pause.

Die Zeit der Stille kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt im Bewerbungsprozesse eintreten, beispielsweise nachdem Sie bereits ein durchaus positiv wahrgenommenes Telefonat mit dem Personaler geführt haben oder sogar schon zum persönlichen Gespräch im Unternehmen waren. Und wer nach dem ersten Kennenlernen keine Rückmeldung mehr erhält, ist oft besonders frustriert – immerhin saß man sich ja schon mal persönlich gegenüber. 
Noch schlimmer, als sich gar nicht zu melden ist demnach stark und schnell im Bewerbungsprozess als Unternehmen zu starten, und dann in weiteren Verlauf nachzulassen. Die zu Anfang positiv geweckten Erwartungen der Bewerber werden dann umso mehr enttäuscht und das Unternehmen rückt ins falsche Licht.

Gründe für das Bewerbungs-Ghosting


Das Ghosting kann mehrere Gründe haben. Selten liegen diese im Bewerber selbst, sondern vielmehr in den Prozessen und Führung im Unternehmen.

  • Zentralisierte Entscheidungen
    In kleinen bis mittleren Unternehmen, in denen die zentralen Bereiche noch in den Händen der Geschäftsführer liegen, mangelt es häufig an standartisierten Recruitingprozessen. Und wenn diese doch standartisiert sind, dann müssen die Bewerbungen trotzdem alle über den Tisch des Geschäftsführers. Meistens auch deswegen, weil kein dedizierter Recruiter oder HR-Manager im Haus angestellt ist. Das Problem dabei: Der Geschäftsführer hat eine Menge anderer Dinge zu erledigen, so dass das Bewerbungsmanagement häufig hinten runter fällt.
  • Effizienzzwang im Rekrutierungsprozess
    Den Recruitingprozess so effizient wie möglich zu gestalten ist sicherlich keine falsche Herangehensweise. Nur sollte die Effizienz auf die Candidate Experience einzahlen und diese nicht in Mitleidenschaft ziehen. Stellenstreichungen oder eben keine HR-Stellen zu besetzen bei Unternehmen, die regelmäßig rekrutieren, bzw. wachsen, ist sicherlich nicht die richtige Herangehensweise.
     
  • Keine Antwort = Absage
    Natürlich kann es auch sein, dass sich manch gestresster Personaler denkt „Keine Antwort ist auch eine Antwort” und sich die Arbeit sparen möchte, aber genau das sollte eben nicht passieren. Keine Antwort zu verschicken wirft sicherlich ein schlechtes Licht auf die Arbeitgebermarke des Unternehmens.
  • Fehlerhafte Kommunikation
    Möglicherweise steckt gar keine böse Absicht hinter der Funkstille, sondern dem Empfänger ist schlichtweg ein Fehler unterlaufen: Die Bewerbungsunterlagen versauern nach der Weiterleitung an den zuständigen Abteilungsleiter in dessen Postfach, weil ihm die Mail einfach entging. Es könnte auch sein, dass die Bewerbung im Bewerber-Management-System falsch einsortiert wurde, oder es ungenaue Absprachen in der Personalabteilung gab.

    Oder, oder, oder…. Gründe für eine fehlende Reaktion eines Unternehmens kann es viele geben, in jedem Fall sind sie aber schädlich für die Arbeitgebermarke.


     
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Fünf Schritte, die helfen den Bewerbungsprozess zu verbessern


Ghosting kann man vermeiden indem man ein strukturiertes Bewerbermanagement einführt. Folgende Schritte können hilfreich sein, gängige Fehler zu vermeiden und aus Bewerbern, die nicht in Frage kommen, trotzdem Fans zu machen.

  1. Define Candidate Journey
  2. Automate with love
  3. Empowerment & trust is key
  4. Move with the flow
  5. Go get some feedback


1. Define Candidate Journey

Der Bewerbungsprozesse sollte für alle Beteiligten möglichst transparent und nachvollziehbar sein. Wer macht was zu welchem Zeitpunkt? Welche Infos gehen zu welchem Touchpoint an den Bewerber raus? Wer sichtet die Bewerbungen und was sind die Kriterien für gute Bewerbungen? Wie sieht die Candidate Journey für eure Bewerber aus? Woran solltet ihr denken, wenn ihr Absagen fomuliert? Wie sieht die perfekte Candidate Experience aus?

2. Automate with love

Wenn ihr in der glücklichen Situation seid viele Bewerbungen zu erhalten, dann solltet ihr euch ein Automationtool anschaffen. Einige HR-Management Tools haben Bewerbermanagement integriert. Wir haben gute Erfahrungen mit Personio gemacht, aber auch andere Tools können das. Egal wie stark ihr den Prozess automatisiert, er sollte niemals beim Bewerber automatisiert wirken. Doch wenn ihr euch der Candidate Journey bewusst seid, werdet ihr auch passgenaue Antworten für die verschiedenen Stellen formulieren können 😉

3. Empower and lead through trust

Dieser Block richtet sich an alle Geschäftsführerinnen und HR-Leiterinnen, die gerne die Hoheit über die eingehenden Bewerbungen halten. Üblicherweise ist in kleinen Unternehmen die Geschäftsführerin das Bottleneck und damit die größte Bremse für viele Bereiche. So auch HR. Ich empfehle immer, den Prozess so anzupassen, dass mehrere Personen die ersten Bewerbungsschritte gemeinsam abarbeiten, oder man arbeitet mit Tabellen, die ein erstes Clustering (mit Empfehlungen der jeweiligen Person) als Vorlage für die Geschäftsführer erstellt werden. Doch grundsätzlich kommt man um eine wichtige Tatsache nicht umher, wenn man Geschäftsführerin eines kleinen Unternehmens ist: TRUST & EMPOWERMENT! Vertraut euren Mitarbeitern, dass sie ihren Job gut machen. Und wenn ihr niemanden für den HR-Prozess habt, stellt jemanden ein oder übertragt die Aufgabe einer Person eures Vertrauens.

4. Move with the flow

Sich auf gängige Tools einzulassen stellt sich manchmal schwieriger dar, als erwartet. Neues auszuprobieren ist aber das A und O auch im HR- Bereich. Immer in Bewegung zu bleiben ist nicht nur für den Körper gesund, sondern auch für Organisationen. Passt euren Bewerbungsprozess regelmäßig an, überarbeitet eure standardisierten Vorlagen und hinterfragt immer wieder eure Sicht auf die Dinge. Versucht euch in eure Bewerber hineinzuversetzen und geht mit ihnen in den Kontakt.

5. Go get some feedback

In eurem Bewerbungsprozess sollte eine Feedbackmöglichkeit durch die Bewerber fest implementiert sein. Nur so könnt ihr sicherstellen, dass ihr euren Bewerbungsprozess stetig verbessert. Wie wäre es also standardmäßig mit einer follow-up Mail an die Bewerber à la „Schade, dass es gerade nicht gepasst hat, aber hey, wie hast du den Bewerbungsprozess empfunden?“


hppyppl

Zu guter letzt: Ich glaube es gibt keinen perfekten Bewerbungsprozess. Die Candidate Experience sieht für die Bewerber und die jeweiligen Unternehmen unterschiedlich aus. Wichtig ist nur, sich bewusst zu machen, dass auch nicht eingestellte Bewerberinnen Multiplikatoren für die Arbeitgebermarke sind. Letztendlich kann man als Unternehmen eine Menge richtig machen, wenn es um die Candidate Journey geht 😉 .

*Ich schreibe meine Blogbeiträge, Artikel und andere Inhalte bewusst geschlechtsneutral oder in der weiblichen Form, gemeint sind immer alle Menschen.