Es ist Juni, das heißt es ist Pride-Month!
Und wie jedes Jahr schmücken pünktlich auf einmal Regenbogen in allen möglichen Formen die Social Media-Profile und die online geschaltete Werbung.
Auch wenn man sich über jede Solidaritätsbekundung , die die Pride-Thematik sichtbar macht und enttabuisiert, freuen kann (und sollte), stellt sich doch die Frage, was genau dahinter steckt? Wie viel Substanz verbirgt sich tatsächlich hinter dem farbenfrohen Online-Accessoire?
Die Wörter “Pride” und “LGBT*IQ” sind im Juni in aller Munde. Der ursprüngliche Aufstand queerer Menschen als Reaktion auf die Polizeiwillkür in der Christopher Street in New York ist nun aber schon schlappe 50 Jahre her und vieles hat sich geändert. Wieso also ist das Ganze heute noch relevant und wichtig?
Ja, vieles hat sich geändert und vielen queeren Menschen in mehreren Ländern der Welt geht es heute um einiges besser. Jedoch gibt es immer noch tiefgreifende Probleme und Mängel in der Art und Weise, wie die Gesellschaft mit Mitgliedern der LGBT*IQ-Gemeinde umgeht- auch in Deutschland. So besteht immer noch keine Chancengleichheit zwischen queeren und nicht-queeren Menschen in der Arbeitswelt. Viele müssen heute noch befürchten, dass ein Outing sich negativ auf ihre sozialen Kontakte und ihre berufliche Entwicklung und Karriere auswirkt. Viele Betroffene empfinden deshalb, dass ihre wahre Identität nach wie vor stigmatisiert wird und fürchten sich davor, sie selbst zu sein. In vielen Unternehmen herrscht heute immer noch keine offene Atmosphäre und immer noch berichten zahlreiche LGBT*IQ-Mitglieder von schlechten Erfahrungen bis hin zu Mobbingerlebnissen am Arbeitsplatz.
Diese Berichte stehen in einem starken Kontrast zu den zahlreichen Regenbogen im Internet. Wie kann es zu so einer Diskrepanz in den Unternehmen kommen? Oder besser gesagt: wie kann man die Online-Solidarität in konkretes Handeln umwandeln, um dadurch die Situation zahlreicher queerer Menschen am Arbeitsplatz zu verbessern? Denn wie schon vor über 50 Jahren geht es nicht nur um schöne Worte und bunte Farben. Es geht darum, auf Basis des Bewusstseins für die LGBT*IQ-Thematik tätig zu werden und die momentanen Verhältnisse aktiv mitzugestalten, damit sich queere Menschen an ihrem Arbeitsplatz respektiert und gleichberechtigt fühlen.
Die Angelegenheiten und Themen der LGBT*IQ-Gemeinde sind überall präsent. Sie machen deswegen auch vor der Unternehmenswelt nicht halt. Dieses Bewusstsein fehlt in vielen Unternehmen. Dabei ist es in einer globalisierten Welt, die sich rapide wandelt und verändert, unabdingbar, sich auch diesen Themen und den damit einhergehenden Herausforderungen, Chancen und Möglichkeiten zu stellen. Die Märkte, ob global oder lokal, stehen in einem stetigen Wandel und sorgen für eine steigende Vielfalt, die sich auch in den Belegschaften vieler Unternehmen niederschlägt. Ständige Veränderungen und zunehmende Diversität sind demnach mittlerweile überall in Unternehmen zu finden. Dadurch werden zahlreiche Arbeitsprozesse beeinflusst, wie z.B. die Rekrutierung und Beförderung. Zudem werden bestehende Strukturen, Denkweisen und Einstellungen hinterfragt oder sogar auf den Kopf gestellt.
Was also ist in Unternehmen zu tun, um die LGBT*IQ-Gemeinde in der Arbeitswelt zu unterstützen und ihr zu mehr Gleichberechtigung zu verhelfen?
Wenn es darum geht, eine unterstützende und LGBT*IQ-freundliche Unternehmenskultur zu schaffen, führt kein Weg an der Führungsebene vorbei. Die Führungskräfte eines Unternehmens müssen die Impulse geben, ohne die kein positiver Wandel möglich ist. Nur wenn Toleranz, Respekt und ein positiver Umgang mit der Thematik durch die Führung vorgelebt und offen kommuniziert wird, kann sich auch in der allgemeinen Unternehmenskultur etwas verändern.
Aber jetzt mal ganz konkret: was können Führungskräfte in ihren Unternehmen für die LGBT*IQ-Gemeinde tun?
#1 Verantwortung für alle
Die vorgelebte Offenheit und Anerkennung der LGBT*IQ-Bewegung muss für alle Mitarbeitenden verbindlich gemacht werden. Dies kann z.B. durch die Erarbeitung gemeinsamer Leitlinien entstehen. Jede*r in der Belegschaft muss sich dafür verantwortlich fühlen, diese Grundsätze für die tagtäglichen Interaktionen am Arbeitsplatz einzuhalten und zu leben.
#2 Wissen ist wichtig!
Zu vielen LGBT*IQ-Themen herrscht weiterhin Unwissenheit. Deshalb ist es sehr hilfreich, relevante Informationen zugänglich zu machen, damit die Mitarbeitenden das nötige Wissen erwerben können, um etwaige Vorurteile und Ängste abzubauen. Auf dieser Basis können das richtige Bewusstsein und Respekt entstehen. Für den Zweck des Wissenserwerbs eignen sich z.B. spezielle Schulungen oder Thementage an denen die Thematik behandelt und diskutiert werden kann.
#3 Niemand schaut weg
Damit es jedoch nicht nur bei Worten bleibt, ist es unerlässlich, eine “Null-Toleranz-Politik” einzuführen. Jegliche Formen von Diskriminierung und Mobbing müssen dabei mit inbegriffen sein. Niemand darf wegschauen, wenn LGBT*IQ-Angehörige durch Worte oder Taten verletzt und erniedrigt werden. Jede*r sollte dafür verantwortlich gemacht werden, dass nicht weggeschaut, sondern im Interesse der Betroffenen gehandelt wird.
#4 Geduld und kontinuierliche Veränderung
Zudem muss allen Führungskräften bewusst sein, dass es sich hierbei um langfristigen Wandel handeln muss. Permanente Veränderungen dauern ihre Zeit. Nur so können sie nachhaltig sein. Um sicher zu gehen, dass Einstellungen und Strukturen nachhaltig verändert werden, muss die Führung auch regelmäßig die Fortschritte überprüfen und bei Bedarf Folgemaßnahmen einleiten. Außerdem darf nicht die Illusion entstehen, dass es ein fixes Ziel gibt, welches irgendwann erreicht ist. Permanente Verbesserungen für die LGBT*IQ-Gemeinde sind nur möglich, wenn der Prozess aktiv und kontinuierlich vorangetrieben und unterstützt wird.
#5 Wandel von innen
Damit die Prozesse rund um die Unterstützung und Anerkennung der LGBT*IQ-Bewegung im Unternehmen nicht über die Zeit vernachlässigt werden, ist es außerdem sinnvoll, Verantwortliche zu ernennen. Dabei sollten diese Menschen nicht nur aus der Führungsebene sein, aber auch dezentral in der Belegschaft vertreten sein. Dadurch werden die top-down Impulse von der Führung durch bottom-up Prozesse ergänzt. Dieser Vorgang erlaubt es, das gesamte Team zu integrieren und alle Teil des Wandels zu machen. Gut bewährt haben sich hierbei besonders sogenannte “LGBT*IQ-Netzwerke”, die als Instanz gebündelt für alle LGBT*IQ-Themen verantwortlich sind. Sie fungieren als eine interne Unternehmensberatung und sprechen Empfehlungen aus und machen Anregungen zu der Thematik.
#6 Stay positive!
Allen Führungskräften sollte zudem klar sein, dass aller Anfang schwer ist. Großfläche Veränderungen und Umdenken wie hier beim Thema LGBT*IQ brauchen ihre Zeit bis sie positive Ergebnisse vorweisen. Deswegen ist es wichtig, mit einer Potenzialorientierung an die Sache zu gehen und dadurch statt der anfänglichen Schwierigkeiten und Defizite, die vielen Möglichkeiten und Vorteile dieser Prozesse zu sehen. Diese Mentalität hilft auch dabei, die Mitarbeitenden trotz anfänglicher Schwierigkeiten weiter zu motivieren und inspirieren.
#7 Safe Space
Da eine negative oder nicht offene Atmosphäre nicht gleich verschwinden kann, ist es außerdem wichtig, LGBT*IQ-Mitgliedern sofort einen sicheren Zufluchtsort zu geben, indem sie sich aufgehoben und verstanden fühlen. Ein sogenannter “safe space” muss dabei nicht unbedingt ein physischer Raum sein, sondern ein abstrakter Rahmen, der durch Ansprechpartner*innen und Verantwortliche gegeben wird, denen sich Betroffene anvertrauen können. Ein*e oder mehrere “safe space”-Beauftrage, zu denen mit Sorgen und Problemen gegangen werden kann, wäre eine weitere Möglichkeit, ein Unternehmen LGBT*IQ-freundlich zu gestalten.
Das klingt alles ziemlich aufwändig und anstrengend. Warum sollten sich Führungskräfte also damit abmühen und sich noch mehr Arbeit als ohnehin aufhalsen? Hier sind alle Vorteile von LGBT*IQ-freundlichem und -inklusivem Management auf einen Blick: