Sich so offen zu zeigen kann im Team nur funktionieren, wenn auch die Führungskraft echte Offenheit vorlebt und Verwundbarkeit zeigt, indem sie offen über Schwächen und eigene Lernfelder spricht.
Das gleiche gilt für das Thema Feedback. Wenn du eine Kultur gegenseitigen Feedbacks etablieren möchtest, dann solltest du aktiv positives wie kritisches Feedback einholen und dich ganz besonders für kritisches Feedback bedanken, auch wenn es manchmal schwerfällt oder du selbst anderer Meinung bist. Wegerklären oder Relativieren von Feedback wird dazu führen, dass die Offenheit im Team wieder abnimmt und man dir Dinge verschweigt, die dich und das Team weiterbringen könnten.
Insight Nummer 2: Jedes gute Team braucht einen gemeinsamen Nordstern und klare Verantwortlichkeiten
Wenn nicht jedem einzelnen Teammitglied klar ist, wozu es dieses Team gibt (Stichwort Purpose) und wenn es keine gemeinsame Definition von Erfolg gibt zu der alle beitragen können, dann droht ein Auseinanderdriften.
Deswegen ist es wichtig, sich in regelmäßigen Abständen zu vergewissern, was der Zweck und die Mission des Teams sind und welchem Beitrag jedes einzelne Teammitglied dafür leistet.
Idealerweise leitet sich der Team Purpose aus der Vision der Gesamtorganisation ab bzw. leistet einen wertvollen Beitrag in dieser Richtung. Es lohnt sich, Zeit zu investieren, um mit dem Team gemeinsam am eigenen Purpose und einer eigenen Vision zu feilen und im gleichen Zug auch Verantwortlichkeiten und Rollen der Teammitglieder festzulegen. Es gibt verschiedene Workshop-Formate und Tools von spielerisch-intuitiv bis praktisch-analytisch, die hier zum Einsatz kommen können.
Wenn es darum geht, die Vision dann in den Arbeitsalltag zu übersetzen, können OKRs (Objectives and Key Results) helfen. Die OKR-Methode hilft einem Team dabei, aus einem Nordstern bzw. einer Vision einen übergeordneten Auftrag abzuleiten, der dann wiederum in Ziele und sehr konkrete Resultate heruntergebrochen wird.
Das Wertvolle an diesem Vorgehen ist, dass diese Ziele und Resultate nicht etwa von außen vorgegeben sondern von den Teammitgliedern selbst erarbeitet werden. Damit ist sichergestellt, dass sich die Menschen mit ihrer Arbeit identifizieren, voll dahinterstehen und sich dadurch besser engagieren können.
Durch regelmäßigen Blick auf den Stand der Dinge und die Erreichung der OKRs (alle zwei bis vier Wochen) nimmt sich das Team selbst in die Verantwortung und kann Fortschritte gemeinsam feiern aber auch rechtzeitig gegensteuern, wenn die Resultate anders ausfallen als erwartet.
Insight Nummer 3: Es ist nicht gut, immer einer Meinung zu sein – Ein gutes Team muss Diversität aushalten und konstruktiv streiten können
In jedem Team gibt es Konflikte und Meinungsverschiedenheiten und je diverser das Team und je komplexer sein Aufgabenbereich ist, desto häufiger wird es dazu kommen, dass verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen. Das liegt daran, dass es bei komplexen Problemen keine „eine Lösung“ gibt und kein klares „richtig oder falsch“. Ein gutes Team kehrt Konflikte nicht unter den Teppich, sondern schafft es, sich konstruktiv und sachlich zu streiten und unterschiedliche Sichtweisen auszuhandeln, damit am Ende ein gutes Ergebnis für alle dabei herauskommt. „Radikale Offenheit“ ist ein Schlagwort, dass häufig damit in Verbindung gebracht wird.
Konstruktives Streiten kann man üben und dabei kann es hilfreich sein, sich mit der eigenen Prägung und der eigenen, gelernten „Streitkultur“ auseinander zu setzen. Gerade in Berufsgruppen, die viel Wert auf zwischenmenschliche Harmonie legen, wie z.B. im Dienstleistungsbereich, müssen Teammitglieder erst lernen, einen Konflikt als Chance zu begreifen anstatt ihn zu „umschiffen“ oder zu vermeiden.
Eine Übung, die sich hierfür anbietet, ist ein „pre mortem“, das im Vorfeld bereits mögliche Schwachstellen eines Vorhabens aufdeckt oder auch eine Retrospektive im Team, bei der die Teammitglieder gemeinsam reflektieren, einander Feedback geben und dazulernen.
Insight Nummer 4: Führung ist keine Person – sondern auf verschiedene Schultern verteilt
In gesunden, gut funktionierenden Teams ist Führung keine Aufgabe, die eine einzelne Person übernimmt, sondern eine geteilte Verantwortung.
Wenn Ziele und Verantwortlichkeiten transparent sind, wenn Offenheit und Vertrauen unter den Teammitgliedern herrschen, dann können sie sich gegenseitig in die Verantwortung nehmen und benötigen keine Führungskraft, die als „Schiedsrichter*in“ oder „Polizist*in“ fungiert.
Wenn jeder weiß, woran die Kolleg*innen im Team arbeiten und wie Erfolg bemessen wird dann, entsteht eine Art gesunder Gruppendruck und man erinnert sich gegenseitig und nimmt einander in die Pflicht, damit die Arbeit voran geht.
Auch wenn es um das Treffen von Entscheidungen geht, sollten verschiedene Meinungen gehört werden und es sollte nicht die eine Person geben, die immer alles entscheidet, selbst wenn eine Führungskraft formal gesehen „das letzte Wort hat“. Je komplexer das Aufgabengebiet des Teams und je höher der Grad an Unsicherheit, die das Team navigiert, desto wichtiger wird es, verschiedene Perspektiven bei der Entscheidungsfindung gegeneinander abzuwägen. Das bedeutet nicht, dass immer alles ewig lange ausdiskutiert werden muss oder sich am Ende immer alle einig sein sollten. Als Methode für partizipative Entscheidungsfindung hat sich der Konsent bewährt, wie er in der Soziokratie Anwendung findet. Auch das Aufsetzen eines Beratungsprozesses kann helfen.
Moment mal: Wenn das Team sich selbst reguliert, selbst seine Performance beurteilt und alle einander Feedback geben und Entscheidungen gemeinsam zustande kommen – wofür braucht es dann noch einen Manager?
Die klassische Führungskraft als alleskönnender Entscheidungs- und Verantwortungsträger wird mehr und mehr abgelöst und durch neue Führungsprinzipien ersetzt. Ein guter Leader sorgt dafür, dass das Team alles hat was es braucht, um gut arbeiten zu können. Dieses Thema verdient allerdings einen eigenen Blogbeitrag, den wir in Kürze an dieser Stelle veröffentlichen.