Gut vorbereitet in Vorstellungsgespräche zu gehen ist nicht nur für den Bewerber vorausgesetzt, sondern auch für alle Beteiligten auf der Unternehmensseite mittlerweile selbstverständlich.
Die Zeit, die der Bewerber & die Unternehmensvertreter investieren ist für alle kostbar und sollte daher möglichst effizient genutzt werden. Aber was ist ein effizientes Vorstellungsgespräch?
Idealerweise kann bereits nach der ersten Stunde Kennenlernen eine möglichst objektive Einschätzung erfolgen, ob a) der Bewerber das Unternehmen, bei dem er/ sie sich beworben hat weiterhin gut findet und b) die Unternehmensvertreter den Bewerber gut finden.
Schon merkt man schnell, dass die Definition von gut, ganz klar schwammig ist und nicht klar definiert. Welchen Einfluss bestimmte Merkmale auf die Personalauswahl haben können, ist vielen Arbeitgebern noch gar nicht bewusst. Unbewusste Vorurteile im Recruiting sind immer noch sehr verbreitet und können verheerende Folgen für das Unternehmen haben. Aber was ist ein sogenannter unconscious Bias? Im Grunde lassen diese sich als unbewusste kognitive Fehler bezeichnen. Menschen sammeln im Laufe ihres Lebens Erfahrungen, aus denen sich Denkmuster ergeben, auf die unser Gehirn in unterschiedlichsten Situationen zurückgreift. Im Grunde sind es Abkürzungen die unser Gehirn vornimmt, als würden wir einen Satz den wir hörten zu ende denken, als würden wir wissen was als nächstes kommt. Häufig liegen wir mit unseren Heuristiken richtig, aber manchmal eben auch nicht. Jedem sollte bewusst sein, dass unsere unbewussten Denkprozesse von unseren Erfahrungen und den damit verknüpften Assoziationen und Emotionen geprägt werden und unser Verhalten dadurch beeinflussen. Die daraus entstehenden Biases führen, gerade im Umgang mit anderen Menschen, mitunter zu falschen Urteilen. Mittlerweile sind die Biases stark erforscht und eine kleine Auswahl an Biases findet man unter diesem Link .
Nun kann man sich vorstellen, dass in einem Interviewsetting, in dem es um schnelle Entscheidungsfindung geht, nämlich finde ich den Bewerber passend oder nicht, das menschliche Gehirn gerne auf solche “Abkürzungen” zurückgreift. Einige der bekannten Biases sind von besonderer Bedeutung im Vorstellungsgespräch.
Ein Bias, der für das Recruiting wirklich relevant ist, ist der Ähnlichkeits-Bias, der im Grunde die Gefahr birgt, dass wir dazu tendieren, uns Menschen auszusuchen, die uns ähnlich sind. Jemand, der so ist wie ich oder wie jemand, den ich gut kenne. Wenn der Bewerber also die gleiche Schule besucht hat, die gleiche Universität oder den gleichen Studiengang absolviert hat, dann wirkt dieser direkt schon sympathiser auf uns. So kann zum Beispiel auch der Status-quo- Bias für ein verzerrtes Bild des Bewerbers bei uns sorgen. Dieser beschreibt im Grunde, dass wir uns an dem, was wir bereits kennen und als gut befunden haben, orientieren und dies mit dem aktuellen Bewerber assoziieren. So könnte der Bewerber einem anderen Mitarbeiter, der bereits erfolgreich eingestellt wurde ähneln und wir erhoffen uns daraus den gleichen Erfolg.
Diese Art des unbewussten Denkens ist ein absolut normaler Prozess und niemand kann sich von Vorurteilen frei machen. Wichtig ist also, genau dies anzuerkennen und sich bewusst zu machen, dass diese Denkmuster uns bei der Personalbeurteilung auch auf die falsche Fährte führen können.
Was kann man als Personalverantwortlicher also tun, um ein möglichst objektives Recruiting zu gestalten?
1. Definieren Sie ein Shared Mental Model vom perfekten Kandidaten
Was perfekt bedeutet, sollte klar vorab definiert sein. Dazu sollte eine Candidate Persona erstellt worden sein, allen im Interview auf der Unternehmensseite sollte klar sein, welche Persona gesucht wird und woran sie diese erkennen.
2. Führen Sie ein (teil-)strukturiertes Interview
Strukturierte Interviews haben zwei Vorteile: 1. Ich habe mir vorher ausgiebig über die Candidate Persona, ihre Eigenschaften, Skills und Erfahrungen gemacht und 2. Ich umgehe einige der gängigsten Biases im Recruiting.
Das Interview stellt sicher, dass auch wirklich alle relevanten Fragen gestellt werden, und die Interviewer nicht allzu voreilig eine Entscheidung über den Kandidaten fällen und gleichzeitig gibt es allen Kandidaten die gleiche Chance.
Stellen Sie in jedem Fall sicher, dass alle gestellten Fragen angemessen und rechtssicher sind.
3. Kennen Sie Ihre Bewerber
Sich gut mit dem Lebenslauf und dem Anschreiben des Bewerbers auseinanderzusetzen hilft, bei der reflektierten Sichtweise auf den Bewerber. Denn Biases greifen vor allem, wenn wir uns unter Druck ein Bild über etwas oder jemanden bilden müssen. Um dies zu umgehen, sollten alle Bewerbungsunterlagen des jeweiligen Bewerbers von allen Recruitingbeteiligten vorab gelesen worden sein. Auch für Bewerber zeugt es von Professionalität und Respekt, wenn er merkt, dass sein Gegenüber die Bewerbungsunterlagen gelesen hat.
4. Seien Sie vorbereitet konkrete Fragen zu beantworten
Denken Sie daran, Sie sind im Vorstellungsgespräch nicht die einzige Person, die ihr Gegenüber bewertet. Auch Bewerber möchten herausfinden, ob der Job ihren Wünschen entspricht und ob das Unternehmen ein geeigneter Arbeitsplatz für sie ist. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Sie die ein oder andere Frage beantworten müssen. Durch transparente Antworten können Sie dem Bewerber ein besseres Bild davon liefern, ob dieser gut zu Ihnen passt und sich in Ihrem Unternehmen wohl fühlen würde.
5. Sprechen Sie sich mit den anderen Interviewern ab
Sollten Sie Bewerbungsgespräche im Panel durchführen, kann es nicht schaden, sich kurz abzusprechen. Erfahrungsgemäß hat sich ein kurzes Briefing vor dem Interview für alle Beteiligten als hilfreich erwiesen. Hier können alle nochmal kurz die wichtigsten Infos zum anstehenden Bewerbungsgespräch austauschen. So können Sie auch im Vorfeld festlegen, wer welche Fragen stellt und wer Fragen zu welchem Thema beantwortet. Beispielsweise ist der Personalchef besser dazu geeignet, Fragen über Vertragsvereinbarungen zu beantworten, während der fachliche Vorgesetzte auch die fachlichen Fragen, konkrete Aufgaben, Teamdynamik oder Unternehmenskultur berichten kann.
6. Planen Sie Bewerbungstage gründlich
Wenn möglich, sollten sie versuchen, sich vor und nach jedem geplanten Vorstellungsgespräch 15 Minuten frei zu halten. Immerhin wollen Sie die Kandidaten nicht warten lassen oder das Gespräch mit diesen abrupt beenden müssen, weil sie schon wieder zum nächsten Meeting müssen. Indem Sie sich Zeit nehmen und dem Bewerber ihre volle Aufmerksamkeit widmen, zeigen sie ihrem Gegenüber, dass sie diesen ernst nehmen und respektieren. Sollte das Interview über Videoanruf erfolgen, überprüfen Sie ihren Rechner, Kamera, Mikrofon sowie Internetverbindung einige Minuten im Voraus, um mögliche Probleme noch rechtzeitig zu beheben.
Der Bewerbungsprozess ist einer der wenigen neuralgischen Punkte für eine erfolgreiche Personalstrategie. Egal ob der Bewerber eingestellt wird oder eine Absage erhält nach dem Gespräch, es sollte der/ die Richtige sein, der eingestellt wird, und der/ die Richtige eine Absage erhalten. Idealerweise ist der Bewerbungsprozess so transparent, dass er von allen Bewerbern als fair wahrgenommen wird, das stellt sicher, dass selbst Bewerber, die nicht eingestellt werden, das Unternehmen in positiver Erinnerung behalten und damit das Unternehmen in der Außenwahrnehmung weiterhin eine positive Reputation hat.